„Wir waren auf alles vorbereitet …“

Von Carsten Ledwa

Es gibt Sätze, die sind in die Geschichte eingegangen. Die Worte, die Horst Sindermann, Mitglied des Zentralkomitees der SED, vor seinem Tod über die Ereignisse im Herbst 1989 rund um die Leipziger Nikolaikirche gesagt hat, werden im Gedächtnis der deutschen Geschichte haften bleiben: „Wir hatten alles geplant. Wir waren auf alles vorbereitet. Nur nicht auf Kerzen und Gebete.“

Kerzen und Gebete - was damals in der Nikolaikirche geschah und sich in der ganzen Stadt Leipzig fortsetzte, kann zum Sinnbild der Advents- und Weihnachtszeit werden. Mit Kerzen und Gebeten wurde eine Ideologie unterwandert, wurde ein erstarrter Machtapparat überrumpelt, wich die Nacht dem Licht. Trostlosigkeit und Angst behielten nicht länger die Oberhand. Kerzen und Gebete wurden zum Zeichen des Protestes gegen bis dahin fast unüberwindliche Mauern und Zäune, gegen Unterdrückung und Unfreiheit.
In der Adventszeit hören wir den Lobgesang der schwangeren Maria: Gott stößt die Gewaltigen vom Thron und erhöht die Niedrigen (Lukas 1, 52).

Die Advents- und Weihnachtszeit ist mehr als die Wiederbelebung von gefühlvollen Kindheitserinnerungen und hektische Suche nach Geschenken. Wenn wir jetzt viele  Kerzen anzünden und uns im Gebet mit Gott verbinden, bedeutet dies eine sanfte aber wirksame Rebellion gegen die Gedanken und Handlungsweisen, die die Welt für gewöhnlich zu beherrschen scheinen. Sie stellen eine gewaltfreie Revolution dar gegen Ängste und Trostlosigkeiten. Mit Kerzen und Gebeten üben wir den Aufstand gegen die finstere Mächte, die unsere Köpfe und Herzen besetzt halten, die uns unfrei sein lassen und uns voneinander trennen.

Wenn wir eine Kerze anzünden, kommt uns das chinesische Sprichwort in den Sinn: „Es ist besser ein Licht anzuzünden, als über die Dunkelheit zu klagen.“ Wenn wir ein Gebet sprechen, lassen wir den Satz Albert Schweitzers wahr werden: „Gebete ändern die Menschen, und Menschen ändern die Welt.“ Wir zünden Kerzen an und beten gegen die Behauptungen der Mutlosigkeit und Resignation: Da kann man nichts machen. Das lässt sich nicht ändern.

Lassen wir uns inmitten all unserer Pläne von Gott überraschen. Keiner war darauf vorbereitet, dass Gott als hilfloses, in Windeln gewickeltes Kind in einer Futterkrippe zur Welt kommt. Dann werden auch wir sanfte, gewaltfreie Wege finden gegen die „Besatzungsmächte“ in uns und um uns.