Denk mal: Stärker als die Angst

Impuls für den letzten Sonntag der Fasten- und Passionszeit/Palmarum 5. April 2020

Von Matthias Dreier

Ursprünglich wollte ich heute mit allen Gottesdienstbesuchern den "Queller Kreuzweg" beten. Diesen hatte ich im Jahr 2006 parallel zu den 7 Kreuzwegbildern bzw. - stationen der Malgruppe unserer Gemeinde verfasst.

Ich möchte heute mit Blick auf die Corona-Krise versuchen den Kreuzweg Jesu mit 7 Bildern bzw. Stationen zu verbinden. Es sind Bilder, die nicht nur mir in diesen Wochen und Tagen vor Augen stehen. Dabei lasse ich mich leiten von Worten des im letzten Jahr verstorbenen Theologen J.B. Metz:"Freilich wendet sich die Botschaft Jesu sofort und immer auch gegen uns selbst, die wir hoffnungsvoll auf sein Kreuz blicken. Sie läßt es nämlich nicht zu, daß wir über seiner Leidensgeschichte die anonymen Leidensgeschichten der Welt vergessen; sie läßt es nicht zu, daß wir über seinem Kreuz die vielen Kreuze in der Welt übersehen,... ."

Diesen Worten folgend und ohne Anspruch auf Vollständigkeit versuche ich nun mit Blick auf die gegenwärtige Krise die Leidensgeschichte Jesu mit den Leidensgeschichten dieser Tage und Wochen zu verbinden: Und so trägt - bildlich gesprochen - Jesus das Kreuz auch durch die Straßen unsere Städte.

1. Bild - 1. Station: Jesus trägt das Kreuz vor die Lebensmittelgeschäfte

Menschen erzeugen, transportieren, sortieren, kassieren...das Lebensnotwendige. Rücksichtnahmen, aber auch Rücksichtslosigkeiten sind zu sehen; Worte des Dankes sind zu hören, aber auch Worte der Unzufriedenheit - durchkreuzte Leben!

2. Bild - 2. Station: Jesus trägt das Kreuz vor die Fabriken

Die Produktion steht still. Menschen können nicht mehr zu ihrer Arbeitsstelle und fürchten diese zu verlieren und damit vieleicht auch Wohnung, Haus und noch viel mehr - durchkreuztes Leben.

3. Bild - 3. Station: Jesus trägt das Kreuz vor die Häuser

Hotels, Geschäfte, Restaurants, Bars und Cafes sind geschlossen. Menschen ist es nicht mehr möglich zu beherbergen, zu bedienen, zu beraten... Menschen fragen sich, ob das von ihnen Bewirtschaftete erhalten bleiben wird - durchkreuztes Leben.

4.Bild - 4. Station: Jesus trägt das Kreuz vor die Krankenhäuser, Pflegeheime und Hospize

Menschen dürfen ihre Angehörigen nicht mehr besuchen. Diese Häuser sind ihnen nun verschlossen. Die Angst um die Menschen in diesen Häusern verstärkt und vergrössert die Angst derer, die draußen bangen - durchkreuztes Leben.

5. Bild - 5. Station: Jesus trägt das Kreuz in die Krankenhäuser, Pflegeheime und Hospize

Mensch helfen, pflegen, retten...und sind dabei selber in tödlicher Gefahr. Sorge um andere, Sorgen um sich selber und die bange Frage nach Entscheidungen auf Tod oder Leben - durchkreuztes Leben.

6. Bild - 6. Station: Jesus trägt das Kreuz vor die Rathäuser

Menschen müssen entscheiden. Entscheidungen sind notwendig, weil notwendend. Entscheidungen schmerzen und tun weh. Entscheidungen verbinden sich mit Hoffnung, aber auch mit Unwägbarkeiten und Ungewissheit. Entscheidungen wollen Leben retten und sind doch zugleich - durchkreuztes Leben.

7. Bild - 7. Station. Jesus trägt das Kreuz in die Kirchen


Die einen sagen: "Es ist eine Strafe Gottes.", die anderen hören in diesen Worten religiösen Zynismus. Da sind die, die sagen:"Gott ist ein Gott der Liebe und des Lebens." Und da sind die, die Gott um seine Hilfe anrufen. Andere fragen:"Wo bist Du, Gott, der Du doch ein Gott der Liebe und des Lebens bist?". In den Kirchen steht das Kreuz und ermutigt um Kraft zu bitten das durchkreuzte Leben anzunehmen, weil es getragen wird von der Macht, die stärker ist als alle Angst, alle Ohnmacht und alle Tode - entkreuztes Leben.