Freiheit und Verantwortung

Predigt zur Konfirmation am 7. Mai 2017

Von Claudia Boge-Grothaus

 

Liebe Konfirmandinnen und liebe Konfirmanden!

Danke, dass Ihr Euch entschieden habt, eineinhalb Jahre durchzuhalten, Euch mit Glaubensfragen und konkret mit mir, dem Team der Jugendarbeit und der Johannes-Kirchengemeinde Quelle-Brock auseinanderzusetzen!

Es war Eure Entscheidung, die heute in der Konfirmation ihren Höhepunkt und Abschluss bekommt.
Bei den meisten von Euch haben die Eltern am Anfang des Lebensweges eine Entscheidung getroffen: Eure Taufe.

Und heute sagt Ihr Ja dazu, werdet religionsmündig vor dem Gesetz und glaubensmündig vor Euch selbst.

Gesetz und Eigenverantwortung: Und das meine ich auch so. Sicher, Ihr habt nicht wie das noch Eure Eltern und mehr noch die Großeltern mussten, ganz viel auswendig gelernt. Ihr musstet nicht mit Strichliste Eure Gottesdienstbesuche nachweisen. Manche haben das auch sehr schleifen lassen, schade...

Aber beim Unterrichtsgespräch mit Mitgliedern aus dem Presbyterium, bei der Gestaltung Eures Vorstellungsgottesdienstes, da blitzte sehr viel von der Religionsmündigkeit und der Glaubensmündigkeit auf. Ihr könnt Euch frei äußern und das ist gut so. Euch kann keiner mehr einreden: Damit Du zu Gott kommst, müssen erst alle Menschen den einen wahren Glauben annehmen und wer gegen Gott ist, der kommt in die Hölle. Ihr würdet mit eigenen Worten darauf antworten sowas wie: „Gottes Gnade muss ich mir nicht erst verdienen. Gott liebt mich so wie ich bin. Mit allen meinen Stärken und Schwächen. Und weil Gott mich liebt, kann und soll ich Gutes tun.“

Vor 500 Jahren war das ganz anders. Martin Luther und die vielen anderen Reformatoren und im Gefolge deren Frauen und Kinder, sie alle mussten erst ganz viel um das Recht auf freie Glaubensentscheidungen kämpfen.

Die 95 Thesen gegen den Ablasshandel am 31.10.1517 waren da erst der Anfang.
Durchschlagenden Erfolg hatte die Reformation mit der Übersetzung der Bibel ins Deutsche, mit der Einführung der Schulpflicht für Jungen und Mädchen > denn nur wer lesen kann, kann sich auch frei informieren, Fakenews, wie sie damals die Kirche verbreitete, von wahren Fakten unterscheiden und nur wer das kann und auch aktiv tut, kann frei entscheiden. Das gilt bis heute: Eine freie Presse- und Meinungsfreiheit, wie sie unser Grundgesetz garantiert, hat seinen Ursprung in den reformatorischen Schriften für Jedermann und Jedefrau damals vor 500 Jahren.

Die Menschen lasen damals so Sätze wie: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge, und Niemand unterthan; Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und Jedermann unterthan."

Luther bezog sich dabei auf die Unterscheidung zwischen Gesetz und Evangelium, also der Unterscheidung zwischen Gesetz und Eigenverantwortlichkeit aus dem Römerbrief und Galaterbrief (Gal 5, 1-6.13+14) und er setzte das in Zusammenhang mit der Rechtfertigung allein aus Glauben.
Sicher, zu Luthers Zeiten haben das viele falsch interpretiert: Die Bauernkriege wollten die geknechteten 80% der Bevölkerung aus der Abhängigkeit und unvorstellbaren Armut befreien. Sie beriefen sich dabei auf die Freiheit eines Christenmenschen.

Und die Landesherren, die mehr als 80.000 Bauern töten ließen? Die beriefen sich auch auf Luther, auf den Christenmenschen als dienstbaren Knechten.

Beide hatten Luther gründlich missverstanden. Luther meinte die Freiheit, in Glaubensdingen entscheiden zu dürfen. Und dazu müsse es einen Staat geben, der diese Freiheit ermöglichen will. Andererseits muss der Staat sich dann auch auf die Loyalität seiner Untertanen, nicht Bürger! Verlassen können.

Viele Jahrhunderte sollte es noch dauern, bis es zu einer wirklichen Kooperation zwischen Gesetz und Evangelium kommen sollte.

Mit Martin Luther nahm das ganze einen rasanten Aufschwung. 1555 entschieden die Landesherren über die Religion ihrer Untertanen und es gab bereits einige Ausnahmen für Minderheiten.

Doch erst mit der Weimarer Verfassung von 1919 und später dann mit der Erweiterung im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland wurde die Gewaltenteilung und die nötige Freiheit in passende Artikel gegossen.

Wir genießen ein hohes Maß an Entscheidungsfreiheit in Eigenverantwortung. Die Religionsfreiheit und damit auch die Glaubensfreiheit ist garantiert. Flankierend brauchen wir dazu die Meinungs- und Pressefreiheit und eine Freiheitliche Staatsordnung, die dafür sorgt, dass wir diese Freiheit nicht mehr verlieren können. Damit es nie wieder wie von 1933-1945 wird.

Liebe Konfis!
Ihr habt Euch mit der Konfirmation für Glaubensfreiheit entschieden. Ihr seid religionsmündig. Und ich hoffe, wir als Kirchengemeinde, wir als Gesellschaft, wir als Menschen allgemein, können auf Euch zählen. Auf Euren Mut zur Verantwortung in der Welt und für die Welt, auf Eure Weitsicht, Fakenews von Wahrheit zu unterscheiden, damit Ihr in der Liebe Christi leben könnt.

Ich wünsche Euch, dass Ihr Gott immer um Euch herum spüren könnt, einen Gott, der mit Euch durch dick und dünn geht und bei dem Ihr jeden Tag neu erlebt: Gott liebt mich so wie ich bin. Mit allen meinen Stärken und Schwächen. Und weil Gott mich liebt, kann und soll ich Gutes tun. Bei uns in Quelle, hier in der Johanneskirche, aber auch an anderen Orten könnt Ihr immer wieder vorbeischauen, Euch Mut und Glaubenskraft zusprechen lassen.

Ihr seid jederzeit herzlich willkommen! Ihr könnt jederzeit auch auf uns zählen, versprochen!

Amen