Denk mal: Alle Menschen verbinden

Pfingstpredigt 31. Mai 2020 31. Mai (gekürzte Version)

von Matthias Dreier

"Als der Pfingsttag gekommen war..." - mit diesen Worten übersetzt Martin Luther die ersten Worte der Pfingsterzählung.

Im griechischen Orginal stehen da die Worte:" Als sich der 50. Tag vollendet hatte... ." Und von dem griechischen Wort "Pentecoste Hemera" leitet sich unser deutsches Wort "Pfingsten" ab.

Doch weder das griechische Orginal, noch die deutsche Übersetzung von Martin Luther machen uns noch den jüdischen Hintergrund unseres Pfingstfestes sichtbar und erkennbar.

Diesen jüdischen Hintergrund möchte ich jetzt sichtbar und erkennbar machen.

"Als sich der 50. Tag vollendet hatte... ." Das meint im jüdischen Festtagskalender: Es ist Schawuot und dieses Fest ist genau 50 Tage nach dem Pesachfest.

Pesach, in zeitlicher Nähe zum Osterfest terminiert, ist das Fest zur Erinnerung an die Befreiung der "Kinder Israels" aus der Sklaverei. 50 Tage später oder auch 7 Wochen später feiern Menschen jüdischen Glaubens das Wochenfest, Schawuot.

Schawuot ist ein Fest des doppelten Dankes. Einmal für die Weizenernte und damit für das Brot und zum anderen Dank für die Gabe der 10 Gebote als Wegweisung in die Freiheit jenseits aller Versklavung. Gebote, die das Geschenk der Freiheit retten und bewahren sollen. ...

Die aktuelle Krise hat uns erneut vor Augen geführt, wie vernetzt und wie verletzlich wir alle sind auf diesem kleinen Globus Erde. Wir haben in den zurückliegenden Wochen imponierende und bewegende Beispiele "gelebter Menschlichkeit" sehen können, aber auch erschreckende Beispiele "ausgelebter Unmenschlichkeit".

Wir können auf diesem Globus nur gemeinsam leben und überleben durch ein "globales Ethos", durch ein "Weltethos", durch eine ethische Grundhaltung, die Menschen über alle religiösen und weltanschaulichen Grenzen hinweg verbindet.

Mit Blick auf die 10 Gebote, die ja zum jüdischen Hintergrund unseres Pfingstfestes gehören, sind es diese Vier, die uns alle in unserer ethischen Grundhaltung verbinden können:

- Du sollst nicht töten. Schütze das Leben, zerstöre es nicht. ...

- Du sollst nicht stehlen. Handle fair und gerecht. Gib jedem Menschen das zum Leben Nötige und Notwendige. ...

- Du sollst nicht lügen. Rede und handle wahrhaftig. ...

- Du sollst nicht ehebrechen. Achte die sexuelle Würde und Selbstbestimmung jedes Menschen. ...

Diese 4 Gebote sind so etwas wie ein Kompaß für den eigenen ethischen Lebensweg gen Norden, Süden, Westen oder Osten. Jeder Kompaß aber hat eine Nadel:

- Wäre ich Jude - meine Nadel wäre die Thora...

- Wäre ich Muslim - meine Nadel wäre der Koran...

- Wäre ich Buddhist -meine Nadel wären die "vier edlen Wahrheiten" des Buddha...

- Als Christenmensch aber ist meine Nadel der "Menschensohn" aus Nazareth - Jeschua, Jesus in unser Sprache. Und!

Heute am Pfingstfests schaue ich erneut mit meinem Kompaß auf meinen ethischen Lebensweg und frage mich: "Welchen Geistes Kind bin ich? Wo und wann bin auch ich manchmal von allen guten Geistern verlassen?"

Und so lasse ich mich heute wieder und bildlich gesprochen "ein-norden": Gib mir deinen Geist. Gib uns allen deinen Geist.                  

Amen