Die Suche nach der bleibenden Stadt: zur Jahreslosung 2013
Von Matthias Dreier
Ja, sie dreht sich noch. In 24 Stunden mit ca. 1000 Stundenkilometern um sich selber und in den kommenden 365 Tagen wieder mit ca. 100.000 Stunden-kilometern um die Sonne.
Nein, sie ist nicht untergegangen am Freitag, dem 21. Dezember 2012. Wer immer mit dem Ende des alten Maja-Kalenders ein Ende der Welt erwartet hatte, irrte.
Wann aber kommt er, der Weltuntergang? Als Christ, Pastor und Theologe kann ich nicht glaubwürdig vom Weltuntergang reden, ohne in den Dialog mit den modernen Naturwissenschaften einzutreten: Mit dem sogenannten Urknall begann vor ca. 13,5 Milliarden Jahren die Expansion, die Ausdehnung unseres Universums. Im Zuge dieser Ausdehnung bildeten sich Millionen von Galaxien, Milchstraßen, von denen eine unter diesen Millionen die Unsrige ist, mit Sonne, Mond und Sternen, Venus, Mars, Jupiter, Saturn und allen Planeten, die wie der "kleine blaue Planet Erde", die Sonne umkreisen.
Unsere Sonne wiederum, der wir uns mit unserem "kleinen blauen Planeten Erde" nun wieder auf einer ellipsenförmigen Bahn nähern, diese Sonne hat noch für ca. 4,5 Milliarden Jahre Energiereserven, bevor sie kollabiert und damit unserem Planeten oder gar unserer Milchstraße, unserem Sonnensystem das Ende, den Untergang bereitet.
Wir leben also und gewissermaßen in der Halbzeit, denn vor ca. 4,5 Milliarden Jahren entstand mit der Sonne unsere Galaxie und in ihr vor ca. 3,5 Milliarden Jahren der "kleine blaue Planet Erde". So viel habe ich von den modernen Naturwissenschaften gelernt.
Sollte mich also hier und jetzt ein Weltuntergangszenario beunruhigen, das erst in ca. 4,5 Milliarden Jahren eintritt? Fragezeichen.
Halt! Ausrufezeichen.
Wir Menschen sind doch in der Lage, nicht die Welt im Sinne des Universums und nicht die Welt im Sinne unseres Sonnensystems, wohl aber die Welt im Sinne unseres Planeten Erde durch die Entfesselung der Atomkraft und durch die permanente Zerstörung der Umwelt in den Untergang zu reißen.
Und! Ein Ende unseres Planeten Erde wäre nicht schon das Ende unserer Galaxie und schon gar nicht das Ende des Universums, dessen Ende die modernen Naturwissenschaften in ca. 80 Milliarden Jahre prognostizieren. Alle anderen Planeten unserer Milchstraße "umkreisten" weiter die Sonne und das Universum dehnte sich weiter aus, auch wenn wir den "kleinen blauen Planeten Erde" in den Untergang rissen.
Lasse ich diese Szenarien einmal an mich heran, überkommt mich schon ein Schauer: Wer bin ich schon angesichts dieser unvorstellbaren Raum-Zeit-Dimensionen? Und was ist mit meinem Ende? Gewiss, bei einer statistischen Lebenserwartung für Männer von fast 79 Jahren bleiben mir, statistisch gesehen, noch 27 Jahre verbleibende Lebenszeit. Sollte mich mein Ende in statistisch gesehenen 27 Jahren schon hier und jetzt beunruhigen? Fragezeichen.
Halt! Ausrufezeichen. Auch mein Ende kann jederzeit eintreten. Und ob jederzeit oder erst in 27 Jahren, mit meinem Ende hört ja die Welt nicht auf sich zu drehen. Im Gegenteil: Mit dem Untergang meiner Welt, im Sinne meines Lebens, dreht sich die Erde weiter in 24 Stunden um sich selber und in 365 Tagen um die Sonne und das noch ca. 4,5 Milliarden Jahre lang, wenn, ja wenn wir Menschen den "kleinen blauen Planeten Erde" nicht vorher untergehen lassen.
Wie und mit welchem Trost wollen wir als Christinnen und Christen sehenden Auges und sicheren Schrittes weitergehen? Dass die Welt am 21. Dezember nicht untergegangen ist, ist mir kein Trost. Aber die biblischen Worte, die über dem Jahr 2013 stehen, könnten mir Trost werden. Es sind Worte aus dem Hebräerbrief: "Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir." (13, 14)
Liebe Gemeinde, nicht nur ich, auch die Erde, auch unser Sonnensystem, auch das Universum werden untergehen. Alles ist vergänglich! "Wir haben hier keine bleibende Stadt." Darum noch einmal zurück zum 21. Dezember: Angesichts des möglichen Weltuntergangs für diesen Tag, erwartete das im Westen der heutigen Türkei gelegene Städtchen Sirince einen riesigen Besucheransturm. Die, die wegen des möglichen Weltuntergangs nach Sirince reisen wollten, erwarteten die Rettung der Stadt. Die einen, weil sie der Geburtsort der griechischen Jagd- und Fruchtbarkeitsgöttin Artemis sei; andere, weil hier die Stelle sei, von wo Maria in den Himmel auffuhr.
Zurück zur Jahreslosung: Diese Form der Stadtsuche, die ich gerade vorstellte, ist in und mit unserer Jahreslosung nicht gemeint. Da wir Menschen aber mit unseren Sinnen an Raum und Zeit gebunden sind, wird "die zukünftige Stadt" zum Symbol der Rettung im Angesichte aller Weltuntergangsszenarien.
Ja, die Stadt deute ich letztlich als Symbol für Gott selber, die Dimension der Liebe und insofern das Gott, die Dimension der Liebe, in der alles Vergängliche und vom Tod Bedrohte aufbewahrt ist und bleibt, auch ich mit meiner Lebenszeit angesichts der unvorstellbaren Zeitdimensionen unserer Erde, unseres Sonnensystems und unseres Universums: Ich ende nicht, ich ver-ende nicht, ich werde vollendet mit der Erde, mit unserem Sonnensystem, mit dem Universum, wie auch immer diese Vollendung aussieht.
Bis dahin und bis zum Ende meiner Lebenszeit und bis zum Untergang meiner Lebenswelt hier auf dem Planeten Erde, suche ich - bildlich gesprochen - weiter nach "der zukünftigen Stadt", nicht mit Stadtplan oder Navi, sondern so, wie es der Hebräerbrief zwei Zeilen weiter rät: "Gutes… tun und mit anderen zu teilen… ." (V.16) - diese Art der Suche als Ausdruck der Erwartung der Vollendung in Gott.
Und diese Art der Suche könnte ja ein guter Vorsatz für das Jahr 2013 sein.